Fräulein Else von Arthur Schnitzler
Manchmal liebe ich Bücher aus früheren Zeiten, die Erzählungen, die unter dem Titel Fräulein Else zusammengefasst sind, habe ich als Remittende gefunden, danach lag das Buch noch eine Weile bei mir ungelesen, bis ich mich dann doch neugierig herangewagt habe.
Bei Büchern aus dieser Zeit ist halt die Freude groß, wenn es etwas schönes ist, aber umso größer auch die Enttäuschung, wenn es nicht passt.
Das Buch besteht aus den drei Erzählungen „Frau Berta Garlan“ von 1901, „Frau Beate und ihr Sohn“ von 1913 und die namensgebende „Fräulein Else“ von 1924.
Das die einzelnen Stücke aus verschiedenen Zeiten sind, über 10 Jahre zwischen deren Veröffentlichung liegt, macht das Ganze eher interessanter.
Bei „Frau Berta Garlan“ wird von einer jungverwitweten Frau erzählt, die mit ihrem Sohn bei Verwandten in einer Kleinstadt lebt. Ihre Jugendliebe ist inzwischen ein berühmter Musiker und sie nimmt wieder Kontakt zu ihm auf, als sie in einer Zeitung über ihn liest. Um 1900 herum ist es ein großes Wagnis, ihm auch nur zu schreiben, doch Berta Garlan will ihr Leben verändern, sie sehnt sich nach mehr.
In der Erzählung „Frau Beate und ihr Sohn“ befinden sich die Hauptfiguren in der Sommerfrische, der Sohn ist in einem Alter, in dem er für Amouren offen ist und auch Beate, junggeblieben und attraktiv fühlt sich nach dem Tod ihres Mannes wieder bereit für einen neuen Lebensabschnitt.
Am heftigsten fand ich persönlich „Fräulein Else“, ein junges Mädel wird mit reicher Verwandschaft in den Urlaub geschickt, die eigene Familie hat Geldprobleme und so kommt es, dass Else per Express-Brief gebeten wird, einen älteren Bekannten, der sich am gleichen Ort aufhält, um eine größere Summe zu bitten, da es für ihre Familie keinen anderen Ausweg gibt. Doch der Bekannte hat eine Gegenforderung, er will etwas haben für sein Geld, was gegen Anstand und Sitte verstößt.
Ich finde alle drei Geschichten sind wunderbare Sittenbilder ihrer Zeit, die Figuren sind lebendig geschildert und man kann ein wenig das Frauenbild nachvollziehen, das zu diesen Zeiten gepflegt wurde. Frauen waren entweder edle, hehre Geschöpfe oder eben pikante Luder.
Es gibt ein langes Nachwort zu jeder Erzählung, das ich auch sehr interessant fand, jedenfalls kann ich dieses Buch Jedem empfehlen, der sich für die Zeit der Jahrhundertwende interessiert. Ich bin sicher, dass die Erzählungen zu ihrer Zeit bestimmt eine Sensation waren, auch wenn sie nach heutigen Gesichtspunkten eher harmlos wirken.
Doppelmoral, damals wie heute ein großes Thema.