Das Gesicht von Martina Cole
Nachdem mir das Buch Das Abbild so gut gefallen hat und ich die Autorin schon von anderen Büchern kenne, habe ich mit einem weiteren Buch von ihr weitergemacht.
Wieder spielt ihr Roman in einem Londoner Brennpunkt, dieses Mal dem Prostituierten-Millieu. in dem Joanie als alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern (Kira 9, Jeanette 14, und Jon Jon 17) von verschiedenen Vätern lebt. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen ist sie besorgt um ihre Kinder, sie bietet ihnen ein gutes Heim und kümmert sich rührend, besonders um Kira, die etwas einfältig für ihr Alter ist.
Oft hat sie Ärger mit ihrer Teenager-Tochter, die eifersüchtig auf ihre kleine Schwester ist und anfängt, sich mit Skinheads herumzutreiben.
Für eine ältere Frau ist das Geschäft auf der Straße hart, denn die Konkurrenz ist oft noch nicht einmal volljährig, als ihr Sohn beginnt ebenfalls für ihren Zuhälter Paulie zu arbeiten, bessert sich ihr Dasein, sie übernimmt die Leitung eines kleinen Bordells für Paulie.
Das Leben scheint sich schlagartig zu verbessern, bis zu dem Moment, wo ihre Tochter Kira verschwindet. Schnell ist Jemand gefunden, der schuldig wirkt, der übergewichtige, etwas zurückgebliebene, erwachsene Thommy, der mit Kindern spielt und Puppen mag und sein fieser Vater, von denen gemunkelt wird, sie mussten schon einmal wegen so einer „Pädo-Sache“ umziehen.
Jon Jon beschließt die Sache selbst in die Hand zu nehmen, Schritt für Schritt findet er heraus, was wirklich geschah und zieht die Konsequenzen.
Das wirklich Packende an diesem Roman ist für mich die Aussichtslosigkeit, in der schon die Kinder aufwachsen, die Klarheit mit der erkennbar ist, dass auch sie in diesem Sumpf untergehen werden, kriminell werden, sich prostituieren werden oder eben als Drogenabhängige dahinvegetierend.
Auch wenn der Roman in England spielt, so entspricht die Aussichtslosigkeit dem, was ich bei den sogenannten Sozialhilfe-Dynastien 9 Jahre lang im Sozialamt als Mitarbeiterin beobachten konnte. Wer dort hinein geboren wird, hat an sich schon verloren.
Eine tolle Millieustudie und ein Sittenbild.
Makaber sind die Geschichten von Martina Cole immer, in diesem Fall übertrifft sie sich selbst. Thommy, der zurückgebliebene junge Mann ist am Ende fürs Leben gezeichnet, obwohl er selbst nur ein Opfer war. Und auch Joane findet ihren inneren Frieden nicht wirklich, mit dem Wissen, das Paulie, der Vater der verschwundenen Kira auch der war, der daran verdiente, als sie von skrupellosen Kleinkriminellen einfach für eine Pädoparty auf offener Straße entführt wurde.
Und wäre Kira nicht so ein braves, anständiges Mädchen gewesen, so hätte sie wahrscheinlich überlebt.